
Heimatfunde: Sängervereinigung 1866 – eine Chorcollage
Essen Burgaltendorf. Risse an der Fassade des Elternhauses. Der Vater bleibt ruhig – stoisch schreibt er der Berggewerkschaftskasse, lässt Gutachten einholen, Suchbohrungen durchführen: Wo verlaufen die vergessenen Schächte unter dem Haus, die dafür sorgen, dass die Erde nicht mehr trägt?
Der Vater macht sich auf den Weg. Chorprobe, jeden Mittwochabend in der Kneipe im Ort. Im Kegelsaal erinnern alte Fotografien an vor Jahrzehnten gewonnene Chorwettbewerbe. Die Männer ertragen kollektiv das Altern, trotzen dem Nachwuchsmangel, den Rissen der Zeit.
Ihre Beharrlichkeit berührt. Fast sehnsuchtsvoll blicken wir auf ein Leben im Zerfall, das doch nicht bricht. Wir blicken auf unser eigenes Leben, auf unsere Zerrissenheiten. Letztlich finden wir Trost in den Brüchen. Verfall hin oder her: Die Thermodynamik tröstet, weil Energie nicht verlorengeht. Behutsam legen wir Hand an ein Material, das stolz, aufrecht, zart und brüchig ist und fügen anhand der Sollbruchstellen ein neues Werk zusammen.
Der Versuch einer fragmentarischen Heimatmusik.
Autorenproduktion Christoph Collenberg und Chris Erkal 2019 auf der Basis eines Probenmitschnitts der Sängervereinigung 1866 in Essen-Burgaltendorf (Leitung Axel Quast).
Nominiert für den Sound Cinema Düsseldorf 2020. Ursendung 02/2022 im Rahmen der DLF Kurzstrecke #119.
Rezension von Michael S. Zerban im Rahmen des Sound Cinema Düsseldorf 2020: „[…] Das eindeutig beste Stück des Abends liefern Christoph Collenberg und Chris Erkal ab. Heimatkunde [sic]: Sängervereinigung 1866 erzählt in collagierter Form ein Stück Tradition im Ruhrgebiet. Da werden die Folgen des Bergbaus in Form einstürzender Häuser der Tradition eines Männergesangsvereins gegenübergestellt. Den Autoren gelingt dabei nicht nur, das Typische eines Probenabends herauszuschälen, sondern auch, mit hämmernden, düsteren Rhythmen die Bedrohung des Idylls herauszuarbeiten. Spannend, abwechslungsreich, kurzweilig, pointiert, handwerklich hervorragend gearbeitet, kurzum: Großartig […]“